Kultur des Miteinanders

  

Die Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Wir werden älter – dank besserer medizinischer Versorgung und veränderten Lebensbedingungen. Doch die Medaille hat eine Kehrseite. Der demografische Wandel bringt mit sich, dass in absehbarer Zeit der immer größer werdenden Anzahl von Senioren eine immer kleinere Schar von jüngeren Mitmenschen gegenübersteht. Das hat eine im Pustertal durchgeführte Studie deutlich aufgezeigt. Das heutige, auf gegenseitige finanzielle Unterstützung aufgebaute Sozialsystem wird dann nicht mehr finanzierbar sein. Der demografische Wandel stellt uns vor Herausforderungen, die wir nicht aussitzen können, sondern die es anzupacken gilt, wie Kollegin Judith Steinmair in ihrer Titelgeschichte schreibt. 

 

Das Thema korreliert eng mit dem Hauspflegedienst. Das berührt uns irgendwie alle, denn wir haben Großeltern, Mütter und Väter, Tanten und Onkel oder Bekannte, die pflegebedürftig sind und versorgt werden müssen. In nicht allzu ferner Zukunft trifft es uns wohl auch selbst. Doch schon heute stellt sich die dringende Frage, wohin der Weg geht. Die Studie hat nämlich deutlich gemacht, dass die Einwohnerpyramide bereits auf den Kopf gestellt worden ist. Schon heute übersteigt im Pustertal die Anzahl der über 65-Jährigen die Anzahl der Kinder im Alter zwischen Null und 14 Jahren. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren deutlich verschärfen. Berechnungen haben ergeben, dass bereits im Jahr 2036 jeder vierte Bewohner des Pustertales älter als 65 Jahre sein wird. Die arbeitsfähige Generation wird also eine stetig größere Anzahl von Menschen zu versorgen haben.

 

Da die Lebenserwartung weiter steigen wird und die Entwicklung der Hauspflege im Pustertal von der Mitte der 90er-Jahre bis heute eine starke Steigerung der begleiteten Personen bei einem gleichbleibenden Personalstand aufgezeigt hat, ist dringender Handlungsbedarf angesagt. Denn der Betreuungsschlüssel hat sich für jeden Mitarbeiter in der Hauspflege mehr als verdoppelt - Tendenz weiter stark steigend! Das kann nicht gut gehen! Die Erwartungen und die Bedürfnisse der Nutzer steigen darüber hinaus ebenfalls. Eine große Herausforderung ist auch der Fachkräftemangel im Pflegebereich sowie das Halten der Qualität der Dienstleistungen. Weiters braucht es gute Informationen und Hilfestellungen für die betroffenen Familienangehörigen bei der Bewältigung der neuen pflegerischen Herausforderungen. Roland Griessmair, der Präsident der Bezirksgemeinschaft Pustertal, kann schon berufsmäßig gut mit Zahlen umgehen. Und er hat Recht, wenn er sagt, dass es einen guten Mix aus öffentlichen Leistungen und privater Initiative braucht.

 

Wenn das System auch weiterhin funktionieren soll, dann müssen dringend neue Ansätze und Lösungen gesucht werden. Der lokale Sozialraum muss wieder zentral und in den Fokus der Reformbewegungen gerückt werden. Es braucht eine „Kultur des Miteinanders“. Denn Menschen leben miteinander, nicht füreinander. Nur mit dieser Denkweise kann der Kollaps im Sozialfürsorgesystem aufgehalten und dabei ein Mehr an Lebensqualität gesichert werden. Davon profitieren wir letztlich alle.  

 

                         

Reinhard Weger

 

 

 

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