Seit mittlerweile über zwanzig Jahren gehört die Eigentheaterproduktion zum Fixpunkt im Jahresprogramm des UFO. Nach diversen erfolgreichen Koproduktionen mit Theatern und Schulen brachte das UFO im vergangenen Jahr zum ersten Mal in Zusammenarbeit mit dem Rotierenden Theater Werner Fassbinders „Katzelmacher“ zur Aufführung. Mit Arthur Schnitzlers Einakter-Zyklus „Anatol“ stehen die beiden Ensembles jetzt erneut gemeinsam auf der Bühne. 

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Die Akteure des UFO und des Rotierenden Theaters            Lorenzo Colombi

Es ist wieder so weit: Im Mai werden Schillers geflügelte Worte „Bretter, die die Welt bedeuten“  für zehn junge Theaterspielerinnen und Theaterspieler Wirklichkeit. Gespielt wird sowohl in Bruneck als auch im Astra Kino in Brixen - für die jungen Kulturschaffenden aus dem Pustertal und dem Eisacktal eine tolle Möglichkeit, ihre Theaterarbeit auch außerhalb ihrer eigenen Stadt zu zeigen. Seit Dezember feilen sie nun schon an der Produktion. Das Stück wurde zunächst in Workshops und bei Leseproben erarbeitet. Ab März standen dann die szenischen Proben an - eine intensive Zeit, in der bis zu dreimal in der Woche geprobt wurde. Zusätzlich musste das Ensemble noch am Bühnenbild und an den Kostümen arbeiten. Und nun fiebern das UFO und das Rotierende Theater mit Spannung der Premiere am neunten Mai im UFO entgegen.

 

Gelungene Kooperation

Schon in den vergangenen Jahren haben beide Jugendbühnen des Öfteren gezeigt, wozu junges Theater in Südtirol fähig ist. Mit durchaus anspruchsvollen Stücken haben sie sowohl ein generationsübergreifendes Publikum als auch Kritiker überzeugen können. Seit der ersten Produktion Anfang der 90er Jahre halten die Verantwortlichen im Jugend- und Kulturzentrum UFO mit Überzeugung an der Theaterarbeit fest. Der Enthusiasmus der Jugendlichen auf und hinter der Bühne und die Leidenschaft der oftmals zum ersten Mal Theater spielenden Kids sind eben ansteckend. Mit dem Rotierenden Theater in Klausen hat das UFO einen gleichgesinnten Partner gefunden und die kreativen Kräfte gebündelt. Obwohl das Rotierende Theater erst im Jahr 2012 von einigen jungen, begeisterten Theaterspielern zwischen 18 und 25 Jahren in Vahrn gegründet wurde, hat es bereits ein beachtliches Produktionsspektrum vorzuweisen.

 

Der Zeitgeist

Mit Arthur Schnitzlers „Anatol“ steht eine Komödie auf dem diesjährigen Spielplan. Dass der österreichische Dramatiker häufig als literarisches Pendant zu Sigmund Freud bezeichnet wird und ein Faible für Psychologie hatte, ist in seinen Werken unverkennbar. In seinen Dramen und Erzählungen liegt das Hauptaugenmerk auf den psychischen Vorgängen der Figuren. Dieser Blick ins Innenleben der Schnitzler‘schen Charaktere vermittelt ein Bild von der Gesellschaft und zeigt deren Einfluss auf die Figuren. Das Stück aus dem Jahr 1893 hat an Aktualität nichts verloren, zeigt es doch die zeitlosen Facetten des Liebens, des Geliebt- und Verlassen-Werdens und die Suche nach Glück und Geltung. Der Frauenheld Anatol ist ein Getriebener. Er wandelt durchs Leben auf der Suche nach sich selbst und der Erfüllung. Es geht ihm mehr um das Gefühl, das er beim Lieben empfindet, als um die Frauen, die er liebt. Zugleich kann er sich ohne Frauen nicht als Ganzes fühlen. In den verschiedenen Episoden von Schnitzlers Dramenzyklus wird die Zerrissenheit Anatols deutlich. Er will der Einzige für seine Frauen sein. Umgekehrt unterhält er aber zeitgleich mehrere Liebschaften, ohne darin einen Widerspruch zu sehen...    

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Regisseurin Stefanie Nagler - „Spannende Sache!“

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Für die Regie zeichnet die junge Meranerin Stefanie Nagler verantwortlich.  Sie hat vor kurzem ihr Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien abgeschlossen und kann auf langjährige Erfahrungen als Regieassistentin in Wien und bei den Vereinigten Bühnen Bozen verweisen. Seit 2012 arbeitet sie als Regisseurin in Südtirol und inszenierte unter anderem „Der Name der Rose“ von Umberto Eco für die Volksbühne Schenna, Tennessee Williams’ „Sprich zu mir wie der Regen...“ für den Kulturverein CulinArt und das Figurentheater „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry. Auch bei der Uraufführung „Blog und Backhendl“ von Simon Cazzanelli an den Vereinigten Bühnen Bozen führte sie jüngst Regie. Bei der aktuellen Produktion sammelt sie als Regisseurin nun erstmals auch Erfahrungen mit dem Jugendtheater. Mit der Pustertaler Zeitungsprach sie über das Stück und ihre Motivation, mit Jugendlichen zu arbeiten.

 

PZ: Warum ist die Wahl für die diesjährige Koproduktion auf „Anatol“ gefallen?

Stefanie Nagler: Ich fand, dass sich das Stück sehr gut für eine Aufführung eignet.„Anatol“ ist in sieben Episoden unterteilt.  Es sind sieben Kurzgeschichten über die Liebe, über die Suche nach Glück und Freundschaft und über das Verlassen und Verlassenwerden. Entscheidend war für mich aber die Sprache Schnitzlers. Er schafft es, das Innenleben der Figuren hervorzuholen und diese mit unbewussten Zuständen zu konfrontieren. Auch die Ironie und Komik haben mich gereizt. Figuren, die danach streben, ein gewisser „Typus“ zu sein und gleichzeitig einzigartig zu bleiben – das Thema ist absolut passend für die heutige Selfie-Generation.

 

Gibt es noch weitere Bezüge zu unserer heutigen Zeit?

„Anatol“ handelt von der Suche nach Aufmerksamkeit, vom Drang, etwas Besonderes zu sein, im Mittelpunkt zu stehen. Es geht in dem Stück um Flüchtigkeit, Rastlosigkeit, Entscheidungsohnmacht. Jede Figur will für jemanden einzigartig sein und strebt gleichzeitig nach unerreichbarer Vollkommenheit. Die Themen des Stückes - der Drang nach Aufmerksamkeit, die Unzufriedenheit und Sprunghaftigkeit - sind für die Jugendlichen heute, in einer Zeit von sozialen Netzwerken, Arbeitslosigkeit, Wissensüberflutung und Leistungsdruck, allgegenwärtig.

 

Das ist Ihre erste Regiearbeit mit jugendlichen Laiendarstellern – was hat Sie daran gereizt?

Der Reiz, „Anatol“ mit Jugendlichen zu inszenieren, lag für mich darin, die schöne, poetische Sprache von Arthur Schnitzler mit jugendlicher Körperlichkeit und Situationen aus dem Alltagsleben der jungen Menschen in Verbindung zu bringen. Ich erlebe die Arbeit mit Jugendlichen als etwas sehr Schönes, ich werde richtig gefordert und bin gleichzeitig von reichlich jugendlicher Energie und Motivation umgeben, von Kraftfeldern sozusagen, die ja vor allem im Theater richtig platziert sind.

 

Wie sah die Arbeit mit den Jugendlichen aus, wie haben diese sich eingebracht?

Theater entsteht immer in Zusammenarbeit, durch gemeinsame Ideen auf und hinter der Bühne, durch gegenseitiges Führen, Fordern und Ausreizen. Es gibt bei dieser Produktion verschiedene Arbeitsgruppen, die sich um Bühne, Kostüme, Maske, Pressearbeit usw. kümmern. Als Regisseurin habe ich natürlich klare Vorstellungen und Bilder im Kopf, aber ich muss auch immer offen bleiben für Neues. Und gerade im Jugendtheater ist ein Mittelweg zwischen Struktur und Offenheit sehr wichtig.

 

Interview: Judith Steinmair

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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