Zwischen Frauen und Männern sind in Südtirol um die 380.000 Menschen wahlberechtigt. Wie viele davon am Sonntag, dem 12. Juni, zur Wahl schreiten und im Rahmen des Referendums ihre Stimme für oder wider das von der ABD erarbeitete und von der Landesregierung adoptierte Flughafen-Konzept abgeben werden, erfahren wir spätestens tags darauf. Im Grunde geht es darum, ob die Provinz für den Bozner Flughafen 2,5 Mio. Euro jährlich für die nächsten fünf Jahre (2017 – 2022) und von dort an in reduziertem Maße von 1,5 Mio. per anno aufbringt oder nicht.   

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Das Podium v.l.: Brigitte Foppa, Klaus Dissinger, Myriam Atz-Tammerle, Roland Tinkhauser, Mirjam Lanz, Arno Kompatscher     alle Fotos: wpz

Seit Monaten wurden landauf landab Diskussions-Abende für und wider die Mitfinanzierung des Flughafens zum HL. Jakob bei Bozen durch die öffentliche Hand veranstaltet. Im Pustertal zuletzt jene vor rund 350 Teilnehmern im Michael-Pacher-Haus zu Bruneck, am 26. Mai. Wie immer auch das Referendum am Sonntag (12. Juni) ausgehen mag, die Landesregierung wird sich dem Willen des Volkes beugen. Das versprach Südtirols Regierungschef Arno Kompatscher einmal mehr in Bruneck. Ein Quorum ist übrigens nicht vorgesehen. Ergo ist das Ergebnis bei jeder Wahlbeteiligung gültig.

Rechtlich verbindlich ist der Volksentscheid für die Landesregierung dennoch nicht. Aber jedem Handeln in Abweichung zum Ergebnis des Referendums stünde das Versprechen des Präsidenten der Provinz im Wege: Der Wille des Volkes sei ihm Gebot! 

Die Exponenten beider Lager riefen in Bruneck ihre Mitbürger/-innen auf, den Urnengang mitzumachen und ihre Wahl im Ja oder Nein zu bekreuzigen. Die Angelegenheit sei für die Zukunft Südtirols zu wichtig, als dass man sie auf die leichte Schulter nehmen dürfte, begründeten sie unisono ihren Wahlaufruf. 

 

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Der große Saal im Michael-Pacher-Haus war bis auf wenige Plätze voll besetzt. 

 

Der Blick zurück

Die Passionsgeschichte des Flughafens zum Hl. Jakob bei Bozen ist eine Kurzgeschichte nicht. Sie reicht in die Zwanzigerjahre (1926) des letzten Jahrhunderts zurück. Doch eine gewisse Spannung kam erst im auslaufenden 20. Jahrhundert auf. Damals, im März 1999, wurde die neue Struktur in Betrieb genommen. Die „Tyrolean Airways“ nahmen den Linienbetrieb nach Rom und später auch nach Wien auf. Die Start- und Landepiste wurde hierfür eigens auf 1.300 Meter verlängert. Doch das Unternehmen ward unter keinem guten Stern geboren. Die Erwartungen hinsichtlich der Auslastung wurden zu keinem Zeitpunkt erfüllt. Das Unternehmen geriet in die Schieflage. 

 

Bauchlandung von Air Alps

Irgendwie aufgefangen wurde das gescheiterte Flugprojekt in der Folge von der „Air Alps“, einer Gesellschaft, in deren Kette, angeführt von Franz Senfter, die Crème de la Crème der Südtiroler Unternehmerschaft eingegliedert war. Viel Geld wurde von den Aktionären investiert. Viel Geld kam aus der Steuerschatulle der Provinz. Man kaufte und bezuschusste öffentlicherseits Flugtickets, in der Hoffnung, so die notwenige Auslastung für ein betriebswirtschaftlich tragbares Ergebnis zu erreichen. Vergebens! Die „Air Alps“ scheiterte an fehlender Schubkraft, woran schon das Unternehmen vor ihr gescheitert war. Nützliche Schlussfolgerungen hatte man aus der verwirbelten Vorvergangenheit offensichtlich nicht gezogen.

Das Brot, woran sich die Österreicher und die Südtiroler die Zähne bereits ausgebissen hatten, war der schweizerischen Fluggesellschaft „Darwin Airline“ dennoch appetitlich genug, um es in den Ranzen zu packen. Doch es nahte der Tag, an dem das eidgenössische Flugunternehmen die „darwinistische Lebensanpassung“ am Beispiel ihrer Vorgängerinnen vollzog: Sie stellte den Linienbetrieb von Bozen im Juni 2015 unvermittelt ein. 

Seither gab es von Bozen aus keinen Linien-Flugverkehr mehr: weder nach Rom noch in andere europäische Städte. Nur Chartermaschinen, Sportflugzeuge und Privatjets bildeten fortan die Notenleiter, nach welcher der Luftraum über Bozen weiterhin beschallt wurde. 

 

Südtirol braucht Regionalflughafen

Südtirol braucht einen funktionierenden Regionalflughafen! Davon sind die Konzept-Befürworter, in Bruneck durch Arno Kompatscher (Provinz-Präsident), Roland Tinkhauser (Provinzrat d. Freiheitlichen) und Mirjam Lanz (ABD-Marketingmanagerin) vertreten, felsenfest überzeugt. Der Flughafen stehe für die Anbindung an die Welt; er sei ein wichtiger Baustein für die künftige Entwicklung Südtirols. Die Wirtschaft brauche ihn, insbesondere der Tourismus. Einerseits würde das „Incomig“-Geschäft durch die bessere Erreichbarkeit angekurbelt, andererseits das „Outgoing“ der Südtiroler durch attraktive Angebote begünstigt. 

Wieviel so ein „günstiges“ Volks-Ticket beispielsweise nach Rom und retour kosten sollte, wusste bislang niemand zu sagen. 

Nur Manfred Pinzger, der HGV-Boss, lockte im Rahmen eines seiner beflügelten Ausritte die Wählerschaft mit 200 Euro für Inlandflüge. Früher waren die Flüge von Bozen nach Rom jedenfalls empfindlich teurer als jene ab Verona. Allein an der Distanz kann’s nicht gelegen haben. Woran dann? Und weshalb soll Bozen künftig billiger als in der Vergangenheit fliegen? Ein Erklärungsversuch seitens der Marketingmanagerin, Mirjam Lanz: „Größere Flieger hätten annähernd dieselben Fixkosten wie ihre kleineren Brüder. Geringere Kosten, höhere Erträge, niederere Preise!“ Logo, immer vorausgesetzt, die rechnerisch notwendige Auslastung dazu passt.  

 

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Richard Oberfrank, Gastwirt in Luttach, machte sich für den Flugplatz und damit auch für die finanzielle Unterstützung seitens des Landes stark; 

 

Ziel: 170.000 Fluggäste pro Jahr

Das Konzept, so Kompatscher, sieht als Ziel im fünften Jahr 170.000 Fluggäste bei durchschnittlich 8,3 Flugbewegungen pro Tag vor. Falls dieses Ziel nicht erreicht wird, steigt die Provinz aus dem Geschäft aus, stoßt die ABD ab und gibt die Konzession an die ENAC zurück, welche die Konzession dann europaweit ausschreibt. 

Geht die Rechnung hingegen auf, wird die Provinz das Unternehmen in den folgenden Jahren mit 1,5 Mio. Euro jährlich unterstützen. 2035 sollte der Flughafen dann die Passagierzahl von über 500.000 jährlich erreichen. Damit würde ein Mehrwert von rund 40 Mill. Euro erwirtschaftet. Als weitere Vorteile wurden die daran gekoppelten Arbeitsplätze genannt. 

 

Braucht es ihn überhaupt?

Die Konzeptgegner waren auf derselben Versammlung durch Brigitte Foppa (Provinzrätin d. Grünen), Myriam Atz-Tammerle (Provinzrätin d. Süd-Tiroler Freiheit) und Klaus Dissinger (Vorsitzender d. Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz) vertreten. Sie widerlegten die Argumente der Befürworter, indem sie auf die ständig wachsenden Gäste- und Nächtigungszahlen hinwiesen. Damit sei belegt, dass die „schwere Erreichbarkeit“ nur herbeigeredet, in Wirklichkeit jedoch nicht gegeben sei. Hinsichtlich der Unerlässlichkeit eines Flugplatzes wurden die Nobel-Orte St. Moritz (CH), Lech am Arlberg (A) und Val d’Isère (F) als Beispiel herangezogen. Große Urlaubsdestinationen, die sehr gut ohne Flughafen vor der Haustür auskämen. Und was besonders schwerwiegen würde: Der hier zu Lande angepeilte Flugbetrieb würde zwar wenigen zum Vorteil gereichen, zugleich jedoch weitaus mehr Menschen durch die Verminderung der Lebensqualität Schaden zufügen. Genannt wurde in diesem Zusammenhang der Raum Bozen-Überetsch-Unterland, der in etwa 180.000 Bewohner zählt. Ein Saalgast aus dem Unterland forderte denn auch die Solidarität der Pustertaler ein: „Als seinerzeit das Pustertal vom Bau der Alemagna-Autobahn bedroht war, reisten wir mit den Traktoren an und unterstützten euren Widerstand. Nun brauchen wir eure Hilfe“, so Christoph von Elzenbaum. 

 

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Franz Pahl, ehemaliger Provinz- und Regionalrat: Das Konzept sei nicht schlüssig. Es stütze sich ausschließlich auf Annahmen. Beweise für dessen zielgerechtes Gelingen lägen keine vor.

 

Neue Fluggesellschaften kommen

Schuldig blieb man bislang eine Antwort auf die Frage, welche Fluggesellschaften denn überhaupt interessiert seien, Bozen regelmäßig anzufliegen und so mit diversen Städten Europas zu vernetzen. An der Angel, so wird von den Konzept-Trägern (ABD und Provinz) behauptet, habe man mehrere Interessenten. Sie von der Luft zu holen setze allerdings die geplante Verlängerung der Start- und Landebahn voraus, damit eben Flugzeuge bis zu 150 Sitzplätzen dort aufsetzen und abheben könnten.  

Für den ehemaligen Provinz- und Regionalrat, Franz Pahl, sei das Konzept eine auf Annahmen beruhende Konstruktion, deren Haltbarkeit durch keine Beweise gesichert sei. Er sei überzeugt, dass der vorgezeigte Weg nicht zum Ziel führen werde. Deswegen und weil die Bevölkerung des Unterlandes vom erhöhten Flugbetrieb unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen und darunter Schaden nehmen würde, stehe er an deren Seite.

  

Gelungene Publikumsveranstaltung

Einwände und Beiträge aus dem Publikum kamen in Masse. Südtirol dürfe sich nicht vom Rest der Welt abkapseln; man sei die ewige Schwarzmalerei satt; man kann doch nicht immer und überall gegen alles sein; der junge Landeshauptmann und seine Regierung verdienten unser Vertrauen; 20 Jahre Pleitewirtschaft im Südtiroler Flugbetrieb seien definitiv genug; in Bozen erzielte in der Vergangenheit maximal 80.000 Fluggäste per Anno, nun von 170.000 und mehr zu sprechen, sei pure Spekulation; Südtirol möge seine Zusammenarbeit mit Innsbruck und Verona ausbauen; die Zukunft der Mobilität innerhalb von 500 Kilometern läge ohnehin bei den Hochgeschwindigkeitszügen der Eisenbahn.

Die Veranstaltung im Michael-Pacher-Haus zu Bruneck war eine Gemeinschaftsinitiative der Pustertaler Zeitung (PZ) und Radio Holiday. Sie wurde von Reinhard Weger, dem Direktor der beiden Medien, geschickt moderiert. Während der zwei Stunden hatten die Repräsentanten der beiden Lager ausreichend Zeit, ihren Standpunkt darzulegen und darüber hinaus auf die Fragen aus dem Publikum einzugehen.  

An Information ist über Diskussionsabende, Broschüren, Flugzetteln und Medienberichten viel geflossen. Nun ist der Wähler dran: am Sonntag, dem 12. Juni!        

jessasmaria

 


 

Fakten zum Referendum

Wortlaut und Inhalt des Referendums: 

„Wollen Sie die Genehmigung des Gesetzentwurfes Nr. 60/15, betreffend „Bestimmungen zum Flughafen Bozen“, zu welchem der Südtiroler Landtag am 4. Dezember 2015 die Anberaumung einer beratenden Volksbefragung beschlossen hat?“

Das bedeutet, dass  nicht über den Flugbetrieb selbst abgestimmt wird, sondern nur darüber, ob das Land Südtirol den Flughafen unter den vom Gesetz vorgesehenen Bedingungen finanziell unterstützen soll oder nicht.

 

Gesetzentwurf 60/15: 

Mit ihrem Gesetzentwurf definiert die Landesregierung den Flughafen als „Einrichtung von öffentlichem Interesse“. Sie will die Grundlage schaffen, um einen Flughafen betreiben zu können, ihn aber gleichzeitig auch nur dann führen und finanzieren, wenn Wirtschaftlichkeit und Funktionalität langfristig garantiert sind. 

 

Unter anderem sind folgende Punkte/Auflagen vorgesehen: 

• Jährliche finanzielle Unterstützung des Landes Südtirol für den laufenden Betrieb (einschließlich der Kosten für Flugverbindungen und Investitionen): 

   bis zu 2,5 Mio. Euro ab dem Jahr 2017

   bis zu 1,5 Mio. Euro ab dem Jahr 2022

• Ab 1. Jänner 2022 muss der Flughafen eine Mindestzahl von 170.000 Fluggästen pro Jahr erreichen, sonst wird die öffentliche Finanzierung eingestellt

• Erlaubter Flugbetrieb: Linienflüge 6–23 Uhr, Charterflüge 7–22 Uhr

 

Bindend oder nicht bindend?

Das Referendum ist nicht bindend. Aber Landeshauptmann Arno Kompatscher hat zugesagt, sich an das Ergebnis zu halten. Die letzte Entscheidung liegt allerdings beim Landtag.

 

 

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