Bereits zum zweiten Mal hat sich die Rienzstadt den ersten Platz in der  Rangliste der „borghi felici“, der glücklichsten Kleinstädte Italiens, gesichert. Ein Ritterschlag, der die politisch Verantwortlichen stolz, die Bevölkerung zustimmend und die Touristen ein wenig neidvoll stimmt – fast durchwegs zumindest. Wie lebenswert Bruneck denn nun wirklich ist, wollte die PZ wissen, und hat sich bei den Brunecker Bürgerinnen und Bürger ein wenig umgehört.

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„Sie leben wahrlich in einem Paradies!“ Eine Aussage, zu der sich mancher Tourist all zu gerne hinreißen lässt. Nun ja, das Paradies mag es nicht gerade sein, aber nahe dran scheinen wir tatsächlich zu gelangen. Denn seit kurzem ist es amtlich: Wir haben uns den Titel als „Glücklichste Gemeinde Italiens“ erneut geholt, vor Sterzing und Neumarkt in diesem Jahr. Erhoben wurde die Untersuchung vom Institut „Centro studi Sintesi“ im Auftrag einer der renommiertesten nationalen Zeitungen, „Il Sole 24 Ore“. Untersuchungsgegenstand der Studie waren die „borghi felici“, Italiens Gemeinden zwischen 5.000 und 50.000 Einwohnern, also ursprünglich 8.047 an der Zahl. Aber nur Kleinstädte mit gewissen Grundeigenschaften kamen schlussendlich in die nähere Auswahl. Abgesehen von der genannten Einwohnerzahl galt beispielsweise auch eine genau definierte Gemeindefläche sowie Bevölkerungsdichte oder auch das Alter der Bevölkerung, das durchschnittliche Einkommen und klimatische Verhältnisse als Grundbedingungen. Diesen Kriterien entsprachen dann noch 158 Gemeinden, die anhand von 47 Indikatoren in acht Bereichen untersucht wurden, um zu eruieren, wer sozioökonomisch am „glücklichsten“ sei.

Materielle Lebensbedingungen, Bildung und Kultur, Teilnahme am politischen Leben, soziale Beziehungen, Sicherheit, Umwelt, persönliche Aktivitäten und Gesundheit bildeten die Basis der Parameter. Dass Bruneck dabei als Spitzenreiter aus dem Rennen hervorgeht, beruht auf insgesamt guten Positionierungen in den verschiedenen Kategorien und vereinzelt sehr guten Bewertungen in Bereichen wie Umweltbewusstsein, Bildungs- und Kulturarbeit, Wohlstand und Sicherheit. Vor allem im Bereich Umwelt schneidet Bruneck hervorragend ab und im Bereich der materiellen Lebensbedingungen legt Bruneck die Meßlatte ebenfalls hoch und steht beim Durchschnittseinkommen der natürlichen Personen laut Steuererklärung 2014 an erster Stelle. Generell muss aber angemerkt werden, dass sich die Daten der Studie nicht nur auf rein kommunale  Werte, sondern, wo nicht anders verfügbar, auch auf provinzielle und regionale stützen.

 

Hohe Lebensqualität

Auf das Ergebnis der Studie angesprochen, kristallisiert sich bei der Brunecker Bevölkerung eines schnell heraus: Über ein hohes Maß an Lebensqualität sind sich alle einig. Klaus Neuhauser, Brunecker Kaufmann, Gemeinderat und Obmann der Bürgerkapelle, resümiert das Ganze folgendermaßen: „Wir haben praktisch alles von A bis Z: Gute Infrastrukturen, vom Krankenhaus bis zu den vielen Sportmöglichkeiten, ein Skigebiet, das sich international sehen lassen kann, und das alles gepaart mit einer intakten Natur. So gesehen ist die Auszeichnung durchaus gerechtfertigt. Das Problem ist, dass hat man oftmals das Unmittelbare nicht mehr schätzt!“

In dieselbe Kerbe schlägt auch Willi „Wörtz Bäck“ Mayr, stadtbekannter Brunecker Gastronom: „Ich bin ein absolut überzeugter Brunecker. In Relation zur Größe unserer Stadt, ist wirklich viel los, neben den zahlreichen Freizeitmöglichkeiten, bietet unsere schöne Stadtgasse ein großes Angebot an Geschäften.“ Besonders erfreulich sei auch die Tatsache, dass Bruneck in den vergangenen Jahren von den Besuchern her internationaler geworden ist, ein Fakt, der nicht ganz unwesentlich in einem Tourismusgebiet ist.  Auch Gunther Niedermair, Leiter des UFO in Bruneck und als solcher am Puls der Jugend- und der Kulturarbeit, findet nur positive Worte: „Bruneck ist eine moderne Stadt, in der es sich wunderbar leben lässt. Die offene und liberale Haltung der Bruneckerinnen und Brunecker und der politischen Verantwortlichen hat eine große Vielfalt in den verschiedenen Bereichen bewirkt. Dadurch ist Bruneck ein Ort der Kultur und Wertschätzung, auch der Generationen untereinander, geworden. Ein wichtiger Faktor für Lebensqualität ist für mich, wie man mit Kindern, Jugendlichen und sozial Schwächeren umgeht, und da ist Bruneck ohne Zweifel vorne dran.“

Dem stimmt auch die Brunecker Kauffrau und Autorin Marion von Zieglauer bei: „Das Besondere an Bruneck ist, dass das mittelalterliche Flair mit den modernen Zeiten mithalten kann. Wenn eine Stadt in Deutschland nicht mindestens 200.000 Einwohner hat, herrscht tote Hose. Bei uns gibt es ein großes Angebot, gerade auch im kulturellen Sektor, Bruneck ist lebendig, und das macht die Stadt so lebenswert. Obwohl wir uns in der Provinz befinden, können wir dennoch mit aktuellen Trends mithalten.“

 

Kritische Stimmen

Kritischere Stimmen kommen da schon von Hanspeter Niederkofler, Brunecker Gemeinderat und Fraktionssprecher der Verdi-
Grüne-Verc. Der sieht den Hype ein wenig differenzierter. Untersuchungen wie diese seien zwar gängig, aber nur bedingt aussagekräftig und würden in erster Linie auf materiellen Wohlstand und den entsprechenden Lebensstandard abzielen. Auch deshalb sei die Bezeichnung „glücklich“ nicht wirklich ideal. Um den wirklichen Zusammenhang zwischen ökonomischen Bedingungen und dem Wohlbefinden der Menschen auf den Grund zu gehen, bräuchte es eine großangelegte Befragung der Bevölkerung. Nichtsdestotrotz stuft auch Niederkofler die Lebensqualität in Bruneck als sehr hoch ein, wenn auch mit dem herben Beigeschmack, dass wir in einer Welt leben, in der Geld und Äußeres einen zu hohen Stellenwert haben und Lebensstandard mit Lebensqualität gleichgesetzt wird. In seinen Augen profitiert die Hauptstadt des Pustertals unter anderem auch von seiner Zentrumsfunktion.

Ex-Bürgermeister und Stadtkomitee-Präsident Christian Tschurtschenthaler sieht diese Argumentation hingegen gelassen. Bruneck habe sich in den vergangenen Jahren immer wieder Zeichen gesetzt und sich in unterschiedlichsten Rankings ganz nach vorne katapultiert, man denke nur an die Zertifizierung als European Energy Award®Gold-Stadt, mit welcher Bruneck als erste Stadt Italiens für ihr Energie- und Umweltkonzept ausgezeichnet wurde.  

Wie auch immer, „Il Sole 24 Ore“ gilt als Institution und ist somit eine tolle Werbung. Und wenn persönliche Umfragen, und seien sie noch so klein, eine Aussagekraft haben, dann lässt sich in diesem bescheidenen Rahmen Eines mit Sicherheit feststellen: Im Großen und Ganzen fühlen sich die Bruneckerinnen und Brunecker pudelwohl in und mit ihrer Stadt!      

Judith Steinmair


 

Paul Winkler:

 

„Ein kolossal feines Städtchen“

 

Einer, der beiden Aspekte sehr gut kennt, sowohl die Sicht auf Bruneck von Seiten der einheimischen Bevölkerung, wie auch jene der Touristen, ist Prof. Paul Winkler. Seit vielen Jahren als Stadtführer aktiv, hat er unzählige Gruppen aller Generationen auf Streifzüge durch die offenen und verborgenen Schätze von Bruneck mitgenommen. Mit der PZ hat er über seine subjektive und erfahrungsgemäß objektive Wahrnehmung bezüglich seiner Heimatstadt gesprochen.

 

PZ: Wie sind Ihre Erfahrungen in Bezug auf das Interesse an Bruneck als Stadt?

Paul Winkler: Bruneck ist eine gern besuchte Stadt und mir entgegnet im Rahmen meiner Arbeit viel Bewunderung und Begeisterung hinsichtlich der unterschiedlichsten Bereiche, die ich bei den Führungen anspreche, sei es unser Lebensstil, die historische Stadtgasse mit den schönen Geschäften, die Offenheit der Bürger, die Tätigkeiten der Vereine, Infrastrukturen wie beispielsweise das Schulzentrum, unsere Traditionen und natürlich auch unsere Natur, die ja quasi unmittelbar in die Stadt hineinreicht.

 

PZ: Und wie sehen Sie persönlich Ihre Heimatstadt?

Paul Winkler: Bruneck ist eine junge Stadt voller Leben, was auch entsprechend gefördert wird. Und das spüren auch unsere Gäste!

 

PZ: Wie sehr hat sich Bruneck gewandelt und wie sehen Sie die Entwicklung?

Paul Winkler: Natürlich ist die Stadt in den vergangenen Jahren rapide gewachsen, und das bringt auch immer wieder neue Situationen mit sich, an welche man sich erst gewöhnen muss. Ganz generell lässt sich alle zehn Jahre ein Wandel feststellen. Aber Bruneck hat es, wenn wir als Beispiel nur mal die architektonischen Gegebenheiten hernehmen,  hervorragend verstanden, Altes mit Neuem zu verbinden.

 

PZ: Nun hat Bruneck ja bereits zum zweiten Mal die Auszeichnung als lebenswerteste Kleinstadt Italiens bekommen – wie ist Ihre Einschätzung dazu?

Paul Winkler: Das ist durchaus gerechtfertigt, schließlich leben wir in einem kolossal feinen Städtchen! Natürlich darf man bei aller Euphorie nicht vergessen, dass auch bei uns eine „versteckte Armut“ vorhanden ist, aber wir haben zum Glück sehr gute soziale Strukturen, die sich da engagieren. Ich finde, dass die Stadtgemeinde und auch unser Bürgermeister Roland Griessmair diesbezüglich sehr sensibel sind. Es ist halt oftmals so, dass wir vieles einfach als selbstverständlich hinnehmen, was eigentlich gar nicht so selbstverständlich wäre.

 

PZ: Und wird diese Auszeichnung auch von außen wahrgenommen?

Paul Winkler: Und wie, ich werde in jüngster Zeit häufig darauf angesprochen und entgegne dann immer, dass es aber auch viel harter Arbeit bedarf, um ein solches Niveau an Lebensstandart zu halten!

 

Interview: Judith Steinmair

 

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