Smartphones, Tablets, Handys: Nützlich und notwendig, anstrengend und einengend, Fluch oder Segen? Die Diskussion darüber ist aktuell, die Meinungen dazu verschieden. Der Kindergartensprengel Bruneck hat einen neuen Zugang zum Thema gefunden. Das Handy wurde schlicht verboten.

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Das viel beachtete Plakat „HANDY AUS“

Die Kindergartenkinder erleben ihre Bezugspersonen, Geschwister und fast alle Erwachsenen mit dem Handy, besitzen aber zumindest zum größten Teil noch nicht selber eines. Ihre Meinung zu den neuen Möglichkeiten der Kommunikation einzuholen, das war eines der Anliegen bei der „Plakat Aktion Handy“. 

Im April 2015 hat Peter Hensinger eindrückliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen der neuen Technologien präsentiert. Er ist wissenschaftlicher Leiter der Verbraucherschutzzentrale Diagnose-Funk in Stuttgart und setzt sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Gesundheit und Umwelt ein, ohne den wirtschaftlichen Aspekt außer Acht zu lassen. Einige Mitglieder des Direktionsteams haben den Vortrag besucht. Gleichzeitig kamen aus den Kindergärten immer mehr Rückmeldungen, dass Eltern beim Holen oder Bringen ihrer Kinder ein Ohr am mobilen Telefon haben. So entstand die Initiative zu diesem besonderen Projekt. Ein wichtiger Aspekt war und ist die Gesundheit der Mädchen und Jungen, die den Pädagoginnen und der Sprengelführung sehr am Herzen liegt. Schon lange haben alle Pädagoginnen während der gesamten Dienstzeit ihre Handys ausgeschaltet, mobile Telefone mit Ladestation wurden aus den von Kindern genutzten Räumen entfernt. 

 

Zwischenmenschliche Beziehung stören

Es geht jedoch nicht nur um die gesundheitliche Beeinträchtigung. „Is Handy stört mi, weil meina Mama ba Telefoniern nia heart wos i sog!“  Das ist die Aussage eines Mädchens im Kindergartenalter. Ein Kind in den Kindergarten zu begleiten oder es dort abzuholen darf nicht Nebensache sein. Nicht das Handy, sondern die Mädchen und Jungen sind dabei die Protagonisten. Diese kurzen und wichtigen Momente sind ein wertvolles Geschenk, das Mütter, Väter, Großeltern ihrem Kind machen. Beim Telefonieren können die Erwachsenen ihre Aufmerksamkeit nicht dem Kind schenken, die zwischenmenschliche Beziehung ist unterbrochen. Die Sensibilisierung der Familien für einen angemessenen und sinnvollen Umgang mit dem Mobiltelefon in den Kindergärten war das Ziel der „Plakat Aktion Handy“.

 

Großer Handlungsbedarf

Nicht alle Kindergärten haben sich an der Aktion beteiligt, denn nicht überall ist Handlungsbedarf. In großen Kindergärten und bevölkerungsreichen Gebieten ist das Anliegen hingegen größer. Der Auftrag vom Sprengel war, dass Pädagoginnen und Kinder sich mit der Thematik zu beschäftigen, Aussagen dazu sammeln und ein Plakat gestalten. Dieses sollte mit einer klaren Botschaft dafür sorgen, dass Telefonate nur in Ausnahmefällen im Kindergarten erledigt werden müssen. Es geht nicht um ein totales Handyverbot, nicht alle telefonierenden Eltern werden an den Pranger gestellt. Die bewusste Nutzung des Mobiltelefons und das Erleben der besonderen Momente beim Hinein- und Hinausbegleiten der Kinder aus dem Kindergarten standen im Mittelpunkt.

In 12 Kindergärten hat es Malaktionen, Gesprächsrunden und  philosophische Einheiten zum Thema gegeben. Aus den Einsendungen hat eine Jury nach langem Beraten ein Siegerprojekt ausgewählt. Eine Zeichnung aus dem Kindergarten Welsberg und die Aussage eines Kindes aus Mitterolang sind auf einem Plakat zusammengeführt. Beide Kindergärten haben als Anerkennung einen Beitrag zur Anschaffung von Spielmaterialien bekommen. Die plakative Ansage zur handyfreien Zone ist jetzt in allen Kindergärten des Sprengels in Eingangsnähe, in Elternecken oder an einem anderen Ort sichtbar.

 

Bewusstsein stärken

Nach der Sensibilisierung ist der nächste Schritt das Entwickeln eines Bewusstseins für den mündigen Umgang mit den Neuen Medien. Eltern und Pädagoginnen sind wichtige Bezugspersonen der Kindergartenkinder und sie haben auch in diesem Bereich Vorbildfunktion. Ihr bewusster Umgang mit dem Handy und Co. im Kindergarten und in den anderen Lebensbereichen trägt dazu bei, dass die Mädchen und Buben als zukünftige Nutzer die technischen Möglichkeiten sinnvoll und gezielt einsetzen lernen. Eine Studie der Universität Mannheim ist vor Kurzem in Düsseldorf vorgestellt worden, die Ergebnisse lassen aufhorchen. Jeder vierte Jugendliche sieht sich selbst im Kommunikationsstress, jeder Siebte bemängelt, dass soziale Kontakte darunter leiden und jeder Zehnte der Acht- bis 14jährigen ist suchtgefährdet. 

 

Antrag der Grünen

Im Südtiroler Landtag haben die Grünen im Frühjahr einen Antrag ein zur Nutzung der neuen Technologien in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Seniorenheimen. Sie fordern das Vorsorgeprinzip gelten zu lassen und Maßnahmen zu treffen, die die Strahlenbelastung so weit als möglich vermeiden. Zum Schutz der Gesundheit und im Sinne des gesunden Lernens soll der Gebrauch mit digitalen Medien geprüft und überprüft werden. Ein Kindergartenkind hat einen guten Tipp zur Unterstützung der ins Leben gerufenen Informations- und Sensibilisierungskampagne: „ I häng is Handy ban an Bandl un und ziachs weg, noar moant die Mama a Maus hots Handy gstohl!“ 

Die „Plakat Aktion Handy “ ist ein weiterer Baustein und hat schon Wirkung gezeigt. Aufmerksam und offen geben die Mädchen und Buben Rückmeldungen zu Erwachsenen, die sich nicht an die Aufforderung halten, und erinnern uns an unsere Verantwortung. Gemeinsam müssen wir die Kinder auf einem Weg begleiten, der eine gute Balance zwischen unmittelbarem Kontakt mit der Welt und mit den Menschen und medial vermitteltem Kontakt ermöglicht.  

Irmgard Brugger

 

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