Im Rahmen der heurigen Mitgliederversammlung wurde Simon Pramstaller wieder zum Präsidenten gekürt. Die 153-jährige Geschichte des mitgliederstärksten Sportvereins im Lande war von vielen Höhen und Tiefen geprägt. Nun steht der Verein erneut vor einem Wandel und vor großen Herausforderungen. Die PZ hat genauer nachgefragt. 

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VSS-Präsident Simon Pramstaller          df

PZ: Herr Pramstaller, ist der klassische Sportverein ein Auslaufmodell?

Pramstaller: Südtirol ist ein Vereinsland und darum beneiden uns viele. Doch nicht alle Vereine können groß und erfolgreich sein. Richtig ist aber, dass neue Herausforderungen auf uns warten und dass der so genannte Vereinsgedanke nachlässt. Die Vereine verändern sich und werden immer mehr zu Dienstleistern. Es wäre aber wirklich schlimm, wenn die klassischen Vereine ein Auslaufmodell wären. Dann würde vieles wie ein Kartenhaus zusammenbrechen - auch in gesellschaftlicher Hinsicht.

 

Was muss ein Sportverein heute anbieten, um bei den Menschen Interesse zu wecken?

Professionelle Arbeit und auch die Öffnung gegenüber Trendsportarten sind wichtig. Darüber hinaus müssen wir auch Gesundheitssport anbieten.

 

Ist ein großer Verein überhaupt noch mit Ehrenamtlichen  zu stemmen?

Früher haben die Vorstände noch persönlich für Schäden gehaftet. Das hat sich Gott sei Dank etwas gebessert. Allerdings muss ein Präsident, ein Vorstand oder ein gesetzlich Verantwortlicher noch immer seinen Kopf hinhalten, gleich ob er schuldig und unschuldig ist. Einen großen Verein zu führen kostet darüber hinaus viel Zeit, Geduld und setzt auch Wissen voraus. Die jetzigen Vorstände sind teilweise überlastet und wollen irgendwann aufhören. Aber wer hat noch Lust, einen großen Verein ehrenamtlich zu führen? Die meisten stehen voll im Berufsleben und haben Familie. Da braucht es schon ganz viel Verständnis von Seiten des Partners, um das mitzumachen. Ich kann mir gut vorstellen, dass in Zukunft eigene Geschäftsführer beschäftigt werden müssen, die in Kooperation mit einem ehrenamtlichen Vorstand agieren.

 

Finanziert aus Mitgliedsbeiträgen?

Ja, aber auch über Sponsoren. Und die Politik ist gefragt. Die Politiker sagen doch immer, dass die Vereine „das Rückgrat unserer Gesellschaft sind“. Es darf aber nicht nur bei schönen Worten bleiben, die Politiker müssen den Vereinen noch mehr als bisher unter die Arme greifen.

 

Sind Sie zufrieden mit der finanziellen Hilfe durch die öffentliche Hand?

Im Großen und Ganzen schon. Wir erfahren durch die Stadtgemeinde Bruneck und die Landesregierung eine durchwegs gebührende Unterstützung. Doch auch hier liegt der Haken im Detail. Wir sind für jede Unterstützung dankbar, doch wurden die Landesbeihilfen für die Sportvereine im Jahr 2014 um ca. 12 Prozent gekürzt. Gleichzeitig tendieren Land und Gemeinde dazu, in Sportbauten zu investieren, welche vor allem von Profivereinen gewollt und genutzt werden. Die Folgekosten muss aber zum Großteil die Allgemeinheit tragen. Da aber alle Finanzmittel geringer werden, führt dies über kurz oder lang zu Existenzproblemen der Amateursportvereine, welche den Breitensport forcieren. Ein weiteres Problem sind die Sporthallen in den Schulen, welche von unseren Sektionen nach 17 Uhr genutzt werden. Immer wieder wird dabei ins Feld geführt, dass wir für die Energie- und Putzspesen aufkommen sollen. Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, jedoch sollte schon dem Umstand Rechnung getragen werden, dass wir uns fast zur Gänze unentgeltlich für die Jugend einbringen und dadurch eine wichtige und für die Gesellschaft nicht zu bezahlende soziale Leistung erbringen.

 

Sind Fusionen von Vereinen aus Ihrer Sicht unausweichlich?

Die Voraussetzungen dafür sind nicht überall ideal. Wir haben in den letzten Jahren eine gesunde und professionelle Vereinsreorganisation durchlebt und können jetzt die Früchte ernten. In den vergangenen beiden Jahren haben wir Sportarten wie Triathlon, Handball und Kajak als eigenständige Sektionen in den Verein aufgenommen, nachdem deren Mitglieder ihre Eigenständigkeit aufgegeben hatten. Da die Bürokratie in den Vereinen aber eher zu- als abnimmt, wird es in Zukunft sicherlich zu immer mehr Zusammenschlüssen kommen.

 

Wie wird sich die Vereinswelt in Zukunft ändern?

Noch haben wir das Glück, dass sich sehr viele Mitglieder mit ihrem Verein identifizieren. Allerdings sind Jugendliche da schon lockerer. Die händeringende Suche nach Menschen, die an der Spitze Verantwortung übernehmen wollen, ist bereits eine Tatsache. Wir müssen uns auch bewusst sein, dass vor allem junge Leute sich nicht auf ewig binden lassen. Die kommen und gehen aber auch wieder, wenn es aus ihrer Sicht nicht passt oder Differenzen auftreten. Das muss man für die Zukunft berücksichtigen. Dabei können Jugendliche mit wenig Aufwand Infrastrukturen und Sportangebote des Vereins nutzen.

 

Was also ist zu tun?

Wir müssen wohl offensiver werden; wir sind auch keine Bittsteller. Durch jeden Jugendlichen, den wir von der Straße holen, spart die öffentliche Hand viel Geld. Wir müssen auch in den Schulen um Mitglieder werben – immer unter der Voraussetzung, dass dies möglich ist. Je früher wir an die Jugendlichen herankommen, umso leichter wird es sein, sie durch die schwierigen Jugendjahre zu begleiten und ihnen Halt und Sicherheit zu geben. Wir haben es ja vorgemacht: Der SSV Bruneck ist einer der wenigen Sportvereine auf Landesebene, welcher bereits zwei Mal den Förderpreis für „Vorbildliche Jugendarbeit im Sportverein“ erhalten hat. Wir sind und bleiben Vorbilder für die Gesellschaft und unsere Jugend. Dies sollte in der Zwischenzeit auch bis zu unseren Volksvertretern vorgedrungen sein. Nur mit einem freundlichen Händedruck und viel Lob überleben in der heutigen Zeit keine Vereine mehr - schon gar nicht solche in der Größenordnung eines SSV Bruneck!

 

Interview: Dominik Faller

                     

 

 

 

 

 

 

 

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