Der Brunecker Rechtsanwalt Heiner Nicolussi-Leck ist Obmann des Raiffeisenverbandes Südtirol. Er kämpft derzeit an allen Fronten um die Eigenständigkeit der Raiffeisenkassen. Vor allem in Rom. Denn die römische Regierung möchte das Bankenwesen zentralisieren und die heimischen Raiffeisenkassen zu einfachen Filialen einer römischen Großbank degradieren. Wir haben bei Herrn Nicolussi-Leck nachgefragt.

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Raiffeisen-Landesobmann Heiner Nicolussi-Leck            rewe

PZ: Herr Dr. Nicolussi-Leck, wie bewerten Sie als Obmann des Raiffeisenverbandes die aktuelle Diskussion rund um die Raiffeisenkassen? Es wird ja allgemein befürchtet, dass sie ihre Eigenständigkeit verlieren…
Dr. Nicolussi-Leck: Die italienische Regierung hatte am 20. Januar im Zuge der Reform der italienischen Volksbanken auch eine grundlegende Neuerung der auf Mitgliederförderung ausgerichteten Genossenschaftsbanken, der Banche di Credito Cooperativo, auf der Tagesordnung. Zu diesen Banken gehören auch die Raiffeisenbanken in Südtirol. Ein wesentlicher Kern der geplanten Neuordnung war die verpflichtende Eingliederung in einen Konzern, dessen Leitung und Koordination einer Bank in Form einer Aktiengesellschaft übertragen wird. Aufgrund der Intervention der zentralen Genossenschaftsverbände hat die Regierung zumindest vorerst von ihrem Ansinnen Abstand genommen. Die Vorgabe war allerdings, dass das Genossenschaftssystem selbst einen Reform-Vorschlag unterbreitet.

 

Warum will man von Rom aus das System der Raiffeisenkassen einbremsen?
Es geht nicht grundsätzlich um das System der Raiffeisenkassen, sondern allgemein um das italienische Bankensystem und damit auch um die Genossenschaftsbanken. Nach der Finanzkrise 2008 hat die EU eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, um den Finanzsektor zu stabilisieren. Dazu gehört die Einführung der europäischen Bankenunion. Diese soll durch einheitliche Regelungen und eine zentrale europäische Aufsicht die dauerhafte Stabilität des Bankensystems aller Mitgliedstaaten gewährleisten. In diesem Kontext haben die zuständigen Institutionen einige Schwachstellen im italienischen Bankensystem ausgemacht und deren Behebung eingefordert.

 

Ist damit zu rechnen, dass die Raiffeisenkassen ihre Eigenständigkeit in der heutigen Form tatsächlich verlieren?

Die Raiffeisenorganisation spricht sich gegen die Einführung eines einheitlichen, zentralistischen Systems aus und strebt eine lokale Lösung an. Wie diese konkret aussieht, ist derzeit noch offen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, welche Formen die Ausgestaltung der Reform schlussendlich annehmen wird.

 

Welche Spielräume gibt es dabei für eine so genannte „Landes-Lösung“, beispielsweise auch in Zusammenhang mit der Raiffeisen Landesbank?

Eine Möglichkeit, die derzeit im Rahmen der Reform in Betracht gezogen wird, ist eine eigene Raiffeisen-Banken-Gruppe in Südtirol. Die Entscheidungsmacht bliebe dann bei einer Bank in Südtirol, etwa bei der Raiffeisen Landesbank. Diese Rolle könnte aber auch eine neu zu gründende Institution übernehmen.

 

Die römische Regierung zeichnet sich bisher durch einen ausgewiesenen Hang zum Zentralismus aus. Glauben Sie, dass Spielräume für die Südtiroler Raiffeisenkassen bestehen?

Diese Spielräume sehe ich als durchaus gegeben, vor allem weil Südtirol die notwendigen Voraussetzungen hat und über die erforderlichen Strukturen verfügt. Mit der Raiffeisen Landesbank Südtirol und dem Raiffeisenverband Südtirol bestehen die notwendigen zentralen Strukturen für die Schaffung eines eigenen Bankenkonzerns. Die Raffeisen Landesbank Südtirol ist eine leistungsfähige und solide Zentralbank mit einem respektablen Rating. Der Raiffeisenverband Südtirol gewährleistet eine verlässliche Interessensvertretung und effiziente Dienstleistungen und fungiert im Sinne der Regionalgesetzgebung als Kontrollorgan.

 

Es gibt auch Bedenken, dass einzelne Raiffeisenkassen über zu wenig Eigenkapital verfügen. Das betrifft angeblich auch Banken im Pustertal. Wäre es also nicht insgesamt besser, noch mehr als bisher den gemeinsamen Schulterschluss zu suchen?
Grundsätzlich verfügen die Südtiroler Raiffeisenkassen über eine hohe Eigenkapital-Ausstattung, die weit über dem internationalen Durchschnitt liegt. Auch ist der von Ihnen angesprochene Schulterschluss hinsichtlich einer Zusammenarbeit im Verbund bereits gegeben. Trotzdem können vereinzelt - im Sinne einer besseren Marktdurchdringung - Fusionen sinnvoll sein.

 

Wie bewerten Sie ganz konkret die Zukunftschancen für das Südtiroler Bankenwesen und ganz besonders für die Raiffeisenkassen?
Die Zahlen belegen, dass die Raiffeisenkassen wirtschaftlich solide und gesund dastehen. Sie erzielten im Geschäftsjahr 2014 einen Nettogewinn von 90 Mio. Euro, halten einen Marktanteil von 47 Prozent und können insgesamt ein Eigenkapital in Höhe von 1,9 Mrd. Euro aufweisen. Solche Zahlen sprechen für sich und drücken deutlich die Zukunftsfähigkeit des Raiffeisen-Systems aus.

 

Können Sie sich vorstellen, irgendwann alle Südtiroler Banken unter einem gemeinsamen Dach zu vereinen und somit den Vorschlag von Landeshauptmann Arno Kompatscher aufzugreifen?
Der Vorschlag des Landeshauptmannes war nicht der, alle Südtiroler Banken unter ein Dach zu bringen. Er hat im Zuge der anstehenden Kapitalerhöhung der Südtiroler Sparkasse den Gedanken geäußert, einheimische Partner mit ins Boot zu holen. Grundsätzlich könnte in Zukunft eine engere Zusammenarbeit der heimischen Banken in wettbewerbsneutralen Bereichen Sinn machen.

 

Interview: Reinhard Weger

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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